Bildungsarbeit in kleinen Gedenkstätten in Schleswig-Holstein
Das Beispiel Kaltenkirchen - Von Uta Körby und Indre Schmalfeld











Gedenkstättenlandschaft in Schleswig-Holstein
In Schleswig-Holstein hat es in der NS-Zeit bekanntlich kein großes Konzentrationslager gegeben. Dies erklärt, warum Schleswig-Holstein ein Bundesland ohne eine institutionell vom Bund geförderte NS-Gedenkstätte ist.
Allerdings gab es mehrere Außenlager des KZ Neuengamme bei Hamburg und vielerorts Lager für Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und andere verfolgte Gruppen.
Heute gibt es in dem nördlichsten Bundesland viele Gedenkstätten und Erinnerungsorte, die sich kritisch mit dem NS auseinandersetzen. Die meisten von ihnen sind erst in den letzten 15, 20 Jahren aus bürgerschaftlichem Engagement heraus entstanden.
Diese Entstehungsgeschichte spiegelt sich in den höchst unterschiedlichen Trägerschaften wider: Von den 12 in der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte vertretenen Orten sind vier in freier Trägerschaft durch eingetragene Vereine (Gedenkstätte Ahrensbök, KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen, Flandernbunker Kiel, Henri-Goldstein-Haus Quickborn sowie das durch eine regionale Initiative unterstützte Gudendorf).
Institutionell abgesichert sind die Gedenkstätten in kirchlicher Trägerschaft (KZ-Gedenk- und Begegnungsstätte Ladelund, Gedenkstätte Lutherkirche Lübeck, Gedenkstätte Lübecker Märtyrer). Dies gilt auch für Orte, die sich in Trägerschaft durch Kommunen, Kreise oder das Land befinden (Ehemalige Synagoge Friedrichstadt, Museum Cap Arcona Neustadt i. H., Jüdische Museum Rendsburg, KZ-Gedenkstätte Husum-Schwesing).
Allerdings sagen die unterschiedlichen Trägerschaften noch nichts über Umfang und Angebote der Vermittlungsarbeit aus. Nur sechs von zwölf Orten haben regelmäßige Öffnungszeiten und verfügen über ein mehr oder weniger ausgearbeitetes pädagogisches Konzept. Von diesen wiederum sind nur drei KZ-Gedenkstätten im engeren Sinne (Ahrensbök, Kaltenkirchen, Ladelund).
Die Mitarbeit auf den Gedenkstätten erfolgt überwiegend rein ehrenamtlich. Es gibt mittlerweile geringe Anteile von Hauptamtlichkeit durch Honorarverträge. In der Regel handelt es sich dabei um Pflegearbeiten auf dem Gelände oder um zeitlich begrenzte Aufgaben wie Sicherung des Sammlungsgutes. Die Konzeption und Kuratierung von neuen Ausstellungen stellen hingegen bereits große Vorhaben dar, die nur durch eine entsprechende Finanzierung durch die Bürgerstiftung schleswig-holsteinische Gedenkstätten umgesetzt werden können. Dies setzt ein erfolgreiches Antragsverfahren voraus, das für die einzelnen Einrichtungen nur sehr aufwändig durchzuführen ist.
Die Besucherzahlen werden von den Gedenkstätten mit jährlich zweitausend bis viertausend angegeben. Genau gezählt werden kann nur an den Orten, die Öffnungszeiten mit ständiger Besetzung haben.
Neben Veranstaltungen, zumeist zu Jahrestagen, bilden Führungen den Schwerpunkt der Vermittlungsarbeit. In der Regel werden Führungen nach Absprache für unterschiedliche Besuchergruppen angeboten. Überwiegend sind es Schulklassen, kirchliche Gruppen und Gruppen von anderen Bildungsträgern, die diese Angebote in Anspruch nehmen.
Die eigentliche Vermittlungsarbeit wird an den meisten Orten von Ehrenamtlichen geleistet. Häufig sind dies die Personen, die die Einrichtung überhaupt erst ins Leben gerufen haben und die von einem starken politisch-moralischen Motiv geleitet werden. Dies gilt insbesondere für die Anfangszeit der Gedenkstättenarbeit in Schleswig-Holstein, von der bis auf wenige Ausnahmen erst seit den 2000er Jahren gesprochen werden kann. Diese engagierten Mitarbeiter kommen aus unterschiedlichen Berufen und verfügen nicht notwendigerweise über pädagogische Kenntnisse. Sofern es überhaupt eine Schulung von guides gibt, die Führungen übernehmen sollen, so besteht sie hauptsächlich in der Vermittlung von Faktenwissen über den jeweiligen Ort, aber es gibt kaum methodisches Training zur speziellen Gedenkstättenpädagogik. Es ist mehr oder weniger ein glücklicher Umstand, wenn an manchen Orten Lehrkräfte in den Trägervereinen mitarbeiten.
Zur Geschichte der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen
Das „KZ-Außenkommando Kaltenkirchen“ des KZ Neuengamme wurde im August 1944 auf Betreiben der Wehrmacht eingerichtet. Auf dem damaligen Militärflugplatz sollten die Start- und Landebahn für das neue düsengetriebene Jagdflugzeug ME 262 erweitert werden. Hierfür wurden von der Luftwaffenführung billige Arbeitskräfte angefordert, die SS stellte dafür Häftlinge vom KZ Neuengamme zur Verfügung.
Unmittelbar nach Kriegsende wurden die Baracken des Lagers für kurze Zeit zur Unterbringung von Displaced Persons genutzt, später dienten sie bis in die 1960er Jahre hinein als Unterkünfte für deutsche Flüchtlinge aus den Ostgebieten. Anfang der 1970er Jahre wurden alle bis dahin noch bestehenden Baracken abgerissen. Die Flughafengesellschaft Hamburg hatte das Gelände erworben, um einen neuen Großflughafen für Hamburg zu bauen. Das angrenzende Gelände des ehemaligen Militärflugplatzes war im Besitz der Bundeswehr und wurde bis 2008 als Truppenübungsplatz genutzt. Auf diesem Gebiet lag auch die nach dem Krieg vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gestaltete Begräbnisstätte Moorkaten.
Die Existenz eines früheren KZ-Außenlagers war vollständig aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit getilgt. Bäume und Unterholz überwucherten das ehemalige Lagergelände.
Der genaue Ort des Lagers wurde erst Ende der 1990er Jahre wiederentdeckt. Es ist der hartnäckigen Suche des Alvesloher Regionalhistorikers Dr. h. c. Gerhard Hoch zu verdanken, dass das ehemalige Lagergelände buchstäblich dem Vergessen entrissen wurde. Er gründete 1999 mit einer kleinen Gruppe den Trägerverein der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen in Springhirsch e.V., da sich damals weder die Stadt Kaltenkirchen noch der Kreis Segeberg dazu bringen ließen, die Trägerschaft für das Gelände zu übernehmen. Im Verlauf von knapp zwanzig Jahren ist daraus eine äußerst aktive und über die Region hinaus anerkannte Gedenkstätte geworden, die nach wie vor von ehrenamtlichen Kräften geleitet und betrieben wird.
Es war von Anfang an eine Besonderheit der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen, dass im Vorstand des Trägervereins mehrheitlich Lehrkräfte aller Schularten vertreten waren und es bis heute sind. Auch wenn die meisten inzwischen aus dem aktiven Schuldienst ausgeschieden sind, so sind doch kreisübergreifend die gewachsenen Kontakte zu den Schulen geblieben. Darüberhinaus ist der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen die einzige Lehrerabordnung in Schleswig-Holstein im Umfang von sechs Lehrerwochenstunden zugestanden worden.
Die Mitarbeit eines Lehrers ist von großem Vorteil für die Gedenkstätte um den Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen in den Schulen zu pflegen, die in jeder Jahrgangsstufe wechseln. Für die Lehrkräfte der Schulen ist es wiederum eine Entlastung bei der Vorbereitung eines Besuchs auf einen Berufskollegen in der Gedenkstätte zu treffen, der die schulische Situation einschätzen kann, denn in den Kollegien gibt es auch Widerstände, weil durch Exkursionen zu außerschulischen Lernborten Stunden der Fachkollegen ausfallen. Hier wiederum wirken sich die Kontakte zu den Fachschaften Geschichte positiv aus, um Gedenkstättenbesuche zu einem Bestandteil des regulären Geschichtsunterrichts zu etablieren.
Die KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen ist als solche überhaupt erst durch die aktive Mitarbeit von Schülerinnen und Schüler und Schülern verschiedener Schulen im Umland gestaltet worden. Sie haben das Gelände vom Unterholz befreit und die Grundrisse der abgerissenen Baracken mit weißen Holzlatten markiert. Erst dadurch konnte das Gelände als ein besonderer Ort erkennbar gemacht werden. Bis heute werden teilweise Pflegearbeiten auf dem Gelände von Schülern und ihren Lehrern übernommen. Hieran sind Schülerinnen und Schüler und Schüler aller Schularten beteiligt, von Förderschülern bis zu Gymnasiasten. Hauptschüler haben unter Anleitung ihres Geschichtslehrers ein Modell des früheren Lagergeländes erstellt. Im Verlauf der Zeit haben viele Schulklassen zu unterschiedlichen Themenbereichen auf der Gedenkstätte gearbeitet. So sind etwa Filme über die NS-Zeit in Kaltenkirchen und zum Lagergelände entstanden, die anschließend anderen Besuchergruppen gezeigt wurden.
Darüberhinaus gab es über mehrere Semester hinweg eine fruchtbare Zusammenarbeit mit Studierenden der Kieler Universität und der Muthesius Kunsthochschule Kiel. Diese haben u. a. die Hinweistafeln auf dem Gelände erarbeitet, denen ein biographischer Ansatz zugrunde liegt.
Eine besonders nachhaltige Zusammenarbeit hat sich in den letzten Jahren mit dem örtlichen Gymnasium Kaltenkirchen ergeben. Aus einem ersten Besuch von mehreren neunten Klassen ist in einem kontinuierlichen Prozess ein didaktisches Konzept hervorgegangen, das mittlerweile landesweit als „Kaltenkirchener Modell“ bekannt ist. Wie überall beruht der Erfolg derartiger Vorhaben natürlich auf besonders engagierten Personen. Hier war es die damalige Fachschaftsleiterin Geschichte, Indre Schmalfeld, die den Anstoß gab. Nach wie vor ist es ein besonderes Merkmal, dass die Ergebnisse der Arbeit mit Schülern mehrerer Jahrgangsstufen zu der Entwicklung eines didaktischen Konzepts geführt haben, das wiederum durch die Praxis erweitert und verändert wird.
Lernen auf Augenhöhe
Der erste Kontakt
„Da kann ich mich ja gleich auf einen Acker stellen!“ Diese provokante Äußerung eines Schülers fiel während einer fiktiven Diskussion zum Stellenwert der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen. Anlass war die jährliche Veranstaltung zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2017 im Ratssaal der Stadt Kaltenkirchen, deren inhaltliche Ausgestaltung der Trägerverein der KZ-Gedenkstätte als Ausrichter den Schülerinnen und Schüler der Mittel- und Oberstufe des Gymnasiums Kaltenkirchen übertragen hat. In dieser Diskussion nahmen Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe die Rollen von Jugendlichen, Politikern, Unternehmern, Bürgern sowie Historikern ein und setzten sich aus der jeweiligen Perspektive heraus mit der gesellschaftspolitischen Bedeutung der KZ-Gedenkstätte auseinander. Das eingangs aufgeführte Schülerzitat ist sicherlich zugespitzt formuliert, trifft aber dennoch pointiert die Kernproblematik dieses historischen Lernortes: Wie kann eine Gedenkstätte, die nur über sehr wenige bauliche Überreste und Artefakte aus der Zeit des Nationalsozialismus, sowie lediglich über eine recht textlastige und damit nicht mehr zeitgemäße Ausstellung verfügt, Schülerinnen und Schüler verschiedener Jahrgangsstufen und Schularten sowohl nachhaltige als auch pädagogisch attraktive Lernangebote unterbreiten? Und wie kann Schule dieses Unterfangen unterstützen und damit einen wichtigen Beitrag zur politischen Bildung Jugendlicher leisten?
Grundvoraussetzung hierfür ist eine partnerschaftliche Kooperation sowie Anstrengungen auf beiden Seiten. Mittlerweile können die Gedenkstätte und das Gymnasium Kaltenkirchen auf eine sehr erfolgreiche siebenjährige Zusammenarbeit zurückblicken. Aus der Genese dieser Kooperation wird deutlich, dass sich dieses Projekt stetig weiterentwickelt hat und zu einer deutlichen Profilierung beider Akteure beigetragen hat.
„Sie wollen wirklich mit dem ganzen Jahrgang, also mit 150 Schülern, kommen?“ Die Skepsis von Uta Körby, im Jahr 2011 Vorsitzende des Trägervereins der KZ-Gedenkstätte, war durchaus nachvollziehbar, verfügte die Gedenkstätte zu Beginn der Kooperation doch noch nicht einmal über ausreichend sanitäre Einrichtungen für derart viele Besucher. Doch ihre Befürchtung, einem oberflächlichen „Gedenkstätten-Tourismus“ Vorschub zu leisten, konnte nach Darlegung des zugrundeliegenden pädagogischen Unterrichtkonzeptes überwunden werden. Die Grundidee der angestrebten Zusammenarbeit zwischen dem Gymnasium Kaltenkirchen und der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen bestand tatsächlich darin, möglichst viele Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Kaltenkirchen mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ihrer Region vertraut zu machen und sie darüber hinaus in die Lage zu versetzen, auch die „zweite Geschichte“ dieses historischen Lernortes kritisch zu reflektieren.
Projekttage für 9. und 12. Jahrgangsklassen
Im ersten Jahr der Zusammenarbeit fanden zunächst getrennte Projekttage für die 9. Klassen und den 12. Jahrgang statt. Der halbtägige Besuch der Gedenkstätte wurde im Unterricht thematisch vorbereitet, nach einer Führung durch die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Trägervereins erfolgte die Nachbereitung des Projekttages in der Schule. Die Resonanz der Schülerinnen und Schüler auf dieses Projekt war überaus positiv. Bei einigen wurde das Interesse geweckt, noch mehr über die Geschichte ihrer eigenen Familie oder Region in der Zeit des Nationalsozialismus zu erfahren, andere ermutigten ihre Eltern zu einem gemeinsamen Besuch der Gedenkstätte. Bereits im folgenden Schuljahr wurde das Projekt um die Methode „Schüler-lehren-Schüler“ erweitert.
Vom Projekttag zum peer-teaching
Seitdem sind die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe Akteure des Projektes. Sie erhalten von ihren Geschichtslehrkräften im Frühsommer eine schriftliche Handreichung verbunden mit dem Auftrag, in Gruppen von 5-6 Personen bis zum September des Jahres eine Führung auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte für die 9. Jahrgangsstufe vorzubereiten. In der Wahl des Materials und der Methoden wird ihnen dabei bewusst größtmögliche Handlungs- und Wahlfreiheit gelassen, wobei die Lehrkräfte fachlich und methodisch beratend das Projekt begleiten. Darüber hinaus erhalten die Schülerinnen und Schüler fachliche und materielle Unterstützung durch die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Trägervereins. Im September besucht dann jeweils eine Klasse der Mittel- und der Oberstufe für einen Vormittag gemeinsam die Gedenkstätte. Die Lehrkräfte übernehmen an diesem Projekttag eine beobachtende Rolle und halten sich während der Führungen bewusst abseits.
Die Schüler-lehren-Schüler Führungen beinhalten stets Informationen über die nationalsozialistische Vergangenheit des KZ Kaltenkirchen und die zweite Geschichte dieses Lernortes, setzen aber eigene Schwerpunkte in der Didaktik und Methodik. Angesichts fehlender baulicher Überreste zielen die Führungen darauf ab, der KZ-Gedenkstätte ein persönliches Bild, ein Gesicht zu geben. Sie konzentrieren sich auf Biographien von Tätern und Opfern, deren Lebens- und Arbeitsumstände im Lager zur Zeit des Nationalsozialismus und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Auf lange Einführungsvorträge wird dabei verzichtet, vielmehr werden Stationen auf dem Gelände oder das Dokumentenhaus aufgesucht. Hier werden Sachinformationen vermittelt, die dann von den Neuntklässlern in Form von interaktiven Fragebögen, kreativen Schreibaufträgen oder Rollenspielen weiter vertieft werden. Damit sind die geführten Schüler nicht mehr nur passive Empfänger von Sachinformationen, sondern auch Akteure der Führung. Den Abschluss des Projekttages bilden in der Regel reflektierende Diskussionen zum gesellschaftlichen und politischen Stellenwert von Gedenkstätten oder zur Bedeutung von Erinnern und Gedenken. Aber auch aktuelle politische Diskussionen, wie die Frage nach dem strafrechtlichen Umgang mit noch lebenden NS-Tätern oder die Forderung der AFD nach einer Wende um 180 Grad in der deutschen Erinnerungskultur werden hier aufgegriffen.
Bewertungen der Schülerarbeiten: Noten ja oder nein?
Im Anschluss an den Projekttag erhalten die Oberstufenschüler ein mündliches oder auch schriftliches Feedback von den Neuntklässlern. Schließlich reichen die Gruppen eine schriftliche Ausfertigung ein. Sie beinhaltet eine schriftliche Darstellung des Projektes, verwendete Arbeitsblätter sowie eine schriftliche Reflexion, in der die Schüler die Zusammenarbeit in der Gruppe, die Durchführung des Projekttages, ihren eigenen Anteil am Projekt und individuellen Lernzuwachs kritisch reflektieren. Die Endnote setzt sich dann aus dem praktischen und theoretischen, also schriftlichen Teil des Projektes zusammen und fließt zu einem maßgeblichen Anteil in die Note für die mündlichen Unterrichtsbeiträge ein oder wird als Klausurersatzleistung gewertet. Die Fachschaft Geschichte hat hierfür einen Rückmeldebogen konzipiert, sodass die Rahmenbedingungen für alle Geschichtsklassen gleich sind.
Die Entscheidung für eine Benotung des Projektes fiel bewusst, würdigt sie doch den erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand der Schülerinnen und Schüler, der mit der Konzeption und Durchführung der Führungen verbunden ist und damit einen erheblichen Mehraufwand als eine Klausurvorbereitung bedeutet. Darüber hinaus stellt die Benotung sicherlich auch eine zusätzliche Motivation dar, bewegen sich die Noten für dieses Projekt doch zumeist im guten bis sehr guten Notenbereich. Insgesamt stellen die betreuenden Lehrkräfte fest, dass gerade die Methode des peer-teaching über die fachbezogenen Kompetenzen hinaus die Selbst-, Methoden- und Sozialkompetenz der Schülerinnen und Schüler fördert. Damit leistet dieses Projekt einen wichtigen Beitrag zu den in den Fachanforderungen festgeschriebenen überfachlichen Kompetenzen, ermöglicht es doch den Schülerinnen und Schüler und Schülern, ihren Lernprozess sowohl innerhalb der Gruppe als auch individuell selbst zu gestalten sowie Verantwortung zu übernehmen.
Wertschätzung und Weiterentwicklung
Insgesamt erfahren die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe ein großes Maß an Wertschätzung, sowohl von Seiten der MittelstufenSchülerinnen und Schüler als auch von Seiten der Lehrkräfte. Die Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe nennen in ihren Rückmeldungen verschiedene Faktoren, die zum Gelingen des Projekttages beitragen. Sie bezeichnen dabei die Wahl der sprachlichen Mittel als besonders verständlich, sie loben die gründlich recherchierten Sachinformationen, die kreativen Arbeitsaufträge sowie das anschauliche Zusatzmaterial in Form von Bildern oder Audios, die auf mitgebrachten iPads präsentiert werden.
Über die Jahre hinweg ist es der Gedenkstätte und dem Gymnasium Kaltenkirchen gelungen, die Zusammenarbeit auszubauen. In der Sekundarstufe I nehmen Wahlpflichtkurse in der 9. Jahrgangsstufe regelmäßig an denkmal aktiv, dem Schulprogramm der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, teil. Der Trägerverein der KZ-Gedenkstätte steht hier als fachlicher Partner zur Verfügung. Auch in der Sekundarstufe II werden die Kooperation und das daraus entstehende Netzwerk stetig vertieft. So vermittelt der Trägerverein Zeitzeugengespräche, die in der Schule stattfinden. Im laufenden Schuljahr besuchten ehrenamtliche Mitarbeiter ein Geschichtsprofil ), um aktuelle Forschungsschwerpunkte vorzustellen. Ein weiteres Projekt zur Recherche von Häftlingsschicksalen ist in Planung. Darüberhinaus gestalten seit einigen Jahren die Schülerinnen und Schüler und – schüler des Gymnasiums regelmäßig die Gedenkfeier zum 27. Januar im Ratssaal der Stadt Kaltenkirchen. Mit Unterstützung der Fachkolleginnen und -kollegen erarbeiten sie unterschiedliche Formate aus dem Bereich des Darstellenden Spiels. Diese Veranstaltungen finden ein großes Echo in der regionalen Presse, was wiederum die Motivation zur Teilnahme erhöht.
Was trägt zum Gelingen bei?
Derartige zeit- und personalintensive Projekte können jedoch nur gelingen, wenn die Voraussetzungen auf beiden Seiten stimmen. An den Schulen bedarf es einer Lehrkraft oder eines Teams zur Entwicklung eines Konzepts, das fachlich, methodisch und didaktisch überzeugt. Eine wichtige Rolle kommt der Schulleitung zu, die einmal von dieser Kooperation überzeugt, schulische Rahmenbedingungen schafft und mögliche Widerstände im Kollegium abbaut. Projekttage, Fachtage und Lernen am anderen Ort haben zwar einen unbestreitbaren pädagogischen Mehrwert, bedeuten aber immer auch Ausfall von Unterricht, gegebenenfalls das Verlegen von Prüfungen und Veränderungen im schulischen Ablauf – Unwägbarkeiten, die vom Kollegium akzeptiert und getragen werden müssen. Darüber hinaus gilt es, die Unterstützung der Fachschaft Geschichte zu sichern, sie ist für die Planung, Durchführung und Evaluation des Projektes verantwortlich und kann für dessen Nachhaltigkeit sorgen, indem sie es in das schulinterne Fachcurriculum implementiert. Am Ende sollte auch die Unterstützung des Schulträgers und des Schulelternbeirats für die Finanzierung gesichert werden. Mittlerweile würdigt auch der Schulträger die Kooperation und fördert mit einem finanziellen Zuschuss die Schülerfahrten zur KZ-Gedenkstätte, die leider nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist. Damit ist der Transfer zur Gedenkstätte für die Schülerinnen und Schüler kostenlos, da der Förderverein die Restsumme der Fahrtkosten übernimmt. Die Bürgerstiftung schleswig-holsteinische Gedenkstätten verfügt seit einigen Jahren über einen Etat für die Bezuschussung von Fahrten zu Gedenkstätten, der jedoch nicht üb er das ganze Jahr hinweg ausreicht.
An den Gedenkstätten müssen ebenfalls Strukturen vorgehalten werden, die zum Gelingen einer Kooperation beitragen. Die erste Kontaktaufnahme entsteht oftmals über eine informative Homepage, die über die Geschichte des historischen Lernortes Auskunft gibt und Material zum Download bereithält, sodass der Besuch einer Gedenkstätte schon im Unterricht vorbereitet werden kann. Lehrkräfte benötigen darüber hinaus verlässliche, erreichbare und zeitlich flexible Ansprechpartner vor Ort, die bei Bedarf Führungen und fachliche Unterstützung anbieten. Ferner wird pädagogisch aufgearbeitetes Material für beide Sekundarstufen benötigt. Unterschiedliche Quellen, Bild-, Ton- und Textmaterial sprechen nicht nur unterschiedliche Lernkanäle und Interessen der Besucher an, sondern ermöglichen es den Jugendlichen vor allem eigene Forschungsschwerpunkte zu setzen.
Fazit:
In Bezug auf die Kooperation der KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen und dem ortsansässigen Gymnasium ergibt sich eine win-win-Situation für beide Seiten. Auf schulischer Seite führte dies zu einer Profilierung der Schule im Bereich der Gesellschaftswissenschaften und des sogenannten Service Learnings , das gesellschaftliches Engagement von Schülerinnen und Schüler und Schülern mit fachlichem Lernen im Unterricht verbindet. Der Trägerverein auf der anderen Seite hingegen profitiert von den Impulsen der vielen jugendlichen Besucher und setzt damit einen wichtigen Beitrag für die Nachhaltigkeit seiner historischen und erinnerungspolitischen Arbeit.
Uta Körby und Indre Schmalfeld, Bildungsarbeit in kleinen Gedenkstätten in Schleswig-Holstein: Das Beispiel Kaltenkirchen, erschienen in: Gedenkstätten Rundbrief Nr. 189, 6/2018, hrsg. Stiftung Topographie des Terrors, Berlin 2018.